Hintergrund

Gebietsentwicklungskonzept Marcardsmoor

Das Hochmoor galt von jeher als mystischer oder geheimnisvoller Ort, in jedem Fall aber als lebensfeindliche Umwelt. Noch vor nicht allzu langer Zeit war das Hochmoor eine Raumbarriere, die es kaum und wenn, dann nur unter schwierigen Bedingungen zu queren war. Als Lebensort, insbesondere im Hinblick auf die Lebensmittelproduktion, waren die ausgedehnten Hochmoorflächen im Ostfriesischen und Oldenburgischen sowie im Emsland völlig unbrauchbar.

Schon früh gab es daher Bestrebungen, diese Moorflächen urbar zu machen und als weiteren Expansionsraum zu gewinnen. Dies geschah in der Regel unter schwierigsten Bedingungen für die „Moorpioniere“, welche in die Flächen geschickt wurden. Aus der damaligen Zeit dokumentiert der Spruch „Des Ersten Tod, des Zweiten Not und des Dritten Brot“ wohl am treffendsten die Situation der Moorkolonisten.

Um diese Hochmoorumwandlung hin zu wertvollen Ackerland zu gestalten wurden eine Reihe von Moorkultivierungsformen etabliert. Im Laufe der Geschichte der Moorkultivierung entwickelten sich so etwa die Moorbrandkultur, die Fehnkultur oder die Hochmoorkultur. Diese entsprachen zwar den Möglichkeiten ihrer Zeit, hatten jedoch immer den Abbau des Moores und damit die Beseitigung der beschriebenen lebensfremden Umwelt zum Ziel.

In bestimmten Regionen, etwa der Stadt Wiesmoor, welche diesem Umstand sogar ihre Existenz verdankt, wurde Torf als nahezu unerschöpflicher scheinender Rohstoff sogar zur Energiegewinnung in einem Torfkraftwerk eingesetzt. In den letzten Jahrzehnten sorgte dann der industrielle Torfabbau in vielen Regionen für das Verschwinden der Reste der ursprünglich ausgedehnten Hochmoorflächen im Nordwesten Niedersachsens. Mit dem Verschwinden der letzten Hochmoorbestände fand allerdings Mitte der 80iger Jahre langsam ein gesellschaftliches Umdenken statt und in der Wahrnehmung der Bevölkerung wandelte sich das Moor von der lebensfeindlichen Umwelt hin zu einer erhaltenswerten Naturlandschaft mit einer in der Zwischenzeit selten gewordenen Flora und Fauna. Vor etwa 10 Jahren wurde zusätzlich die Bedeutung der Moore für den Klimaschutz erkannt und erste Versuche unternommen die Hochmoorreste auch als Kohlenstoffsenke zu betrachten. Auch in Bereich der Stadt Wiesmoor fand dieser Wahrnehmungswandel statt und der ursprünglichen positiven Einstellung der Wiesmoorer Bevölkerung, die seit der Stadtgründung vom und mit dem Torfabbau lebte und durch den Gartenbau mit der Verwendung von Torf als Kultursubstrat eng verwoben war, zum Torfabbau wich einer zunehmenden Skepsis bzgl. der insbesondere in Marcardsmoor gut erhaltenen Hochmoorkörper. Der hieraus entstandene Konflikt zwischen Bevölkerung, Naturschutz, Landwirtschaft und Torfabbauunternehmen führte letztendlich zur Erarbeitung eines sogenannten Integrierten Gebietsentwicklungskonzeptes (IGEK), einem Kompromisspapier, welches die widerstreitenden Interessenlagen aufnahm und zusammenbrachte. Die im IGEK abgestimmte Gebietskulisse wird augenblicklich über das Regionale Raumordnungsprogramm des Landkreises Aurich und darin enthaltenden Zielfestlegungen zur verbindlichen Rahmengebung für die weitere Entwicklung des ehemaligen Rohstoffgewinnungsgebietes 15.4 – Marcardsmoor. Für die Marcardsmoorer Bevölkerung stand von Beginn der Diskussion an fest, das Leben mit dem Hochmoor, aber auch den Torfabbau und die Renaturierung der betroffenen Flächen erfahrbar und den so über Jahrzehnte andauernden Prozess, vom der landwirtschaftliche Nutzung, dem Torfabbau und der Renaturierung, in all seinen Stufen erlebbar zu machen.

Dieses wurde vor allem durch das IGEK und die Tatsache, dass über viele Jahre alle im Prozess notwendigen Stufen unmittelbar nebeneinander existieren werden, konzeptionell festgeschrieben. Eine weitere Besonderheit im Erleben des Bereichs Marcardsmoor gründet sich in der Geschichte der Ortschaft selbst. Der Ort der nach Eduard Marcard benannt wurde, ist als erste Deutsche Hochmoorkultur und damit quasi als Versuchsort für die Moorkultivierung mittels Kunstdünger entstanden. Die damalige Parzellierung und die Struktur der Siedlungsentwicklung ist bis zum heutigen Tag unmittelbar zu erleben und über das RROP als Vorranggebiet „Kulturelles Sachgut“ festgelegt. Die Ortschaft Marcardsmoor und der Bereich der ehemaligen Rohstoffgewinnungsfläche bilden somit einen hervorragenden Nucleus für die Befassung mit der Wahrnehmung und dem Erleben von Hochmoor im Laufe der Geschichte – zumal in einem größeren Kontext gesehen–in unmittelbare örtlicher Nähe auch weitere Formen der Moorkultivierung, etwa die Fehnkultur, erfahrbar sind. Gleichzeitig ist aber auch der Prozess des industriellen Abbaus wie auch die Rekultivierung und Wiedervernässung bereits abgetorfter Bereiche sowie degenerierte landwirtschaftliche Standorte zu erleben. Um jedoch den Bereich Marcardsmoor und die im IGEK konzeptionell überplanten Flächen sowie auch den darüber hinaus gehenden Kontext gesellschaftlicher Aneignung von Hochmoor im Spiegel der jeweiligen Zeit, auch als außerschulischen Lernort, erfahrbar zu machen, bedarf es weiterer Anstrengungen und einer entsprechenden Ausgestaltung. Dies meint insbesondere auch die professionelle und konzeptionelle Aufbereitung des Themas sowie die anschließende Umsetzung, die ohne eine entsprechende Förderung kaum leistbar scheint.

Projektherleitung

Mit der Ankündigung eines weiteren Torfabbauvorhabens in Bereich des Dorfes Marcardsmoor, regte sich bereits 2012 erheblicher Widerstand in der Dorfgemeinschaft an dessen Ende das IGEK und die Festlegungen im RROP des Landkreises Aurich standen.

In dem von der Genehmigung des IGEK bis zur Fertigstellung und Genehmigung des RROP des Landkreises Aurich entstandenen Vakuum entwickelten die Marcardsmoorer Bürger eine Vielzahl von Ideen, die im Rahmen des Konzeptes umgesetzt werden sollten. Diese gingen von einem Moorlehrpfad in allerlei Ausgestaltungen bis zum außerschulischen Lernort zum Thema Torf in Marcardsmoor direkt an der zweiten Reihe. Letztenendes waren jedoch alle Gedanken einer künftigen Gestaltung auf das planerisch machbare und in der Umsetzung aber langfristig finanzierbare herunterzubrechen.

So wurden im Rahmen der Ausgestaltung des Konzeptes nicht ausschließlich die Bürger Marcardsmoors aktiv, sondern es wurden weitere Personen einbezogen, die ihr KnowHow, etwa aus dem Bereich Tourismus, einbrachten. So gab es seitens der Ostfriesland Tourismus GmbH (OTG) den Hinweis, dass ein Projekt nicht aus sich allein heraus Bestand haben würde, sondern in ein übergeordnetes Konzept einzubinden sei. Vorgeschlagen wurde u.a. für die Erlebbarkeit des Gebietes die Hochmoorkultur und damit die Gesamtanbindung des neu entstehenden Bereiches an die vorhandene Infrastruktur anzubinden und z.B. das Fahrradwegenetz, etwa die Fehnroute zu nutzen und ein Fahrrad- und Wanderwegenetz mit dem Bestand zu verknüpfen. Außerdem wurde der Vorschlag unterbreitet, den außerschulischen Lernort nicht nur für Schüler aus der Region mit Inhalt zu versehen, sondern das Nebeneinander von industriellem Torfabbau und renaturierten Flächen auch für ältere Schüler oder als Element der Landschaftsgestaltung und -ökologie auch als Reallabor zu verstehen, an dem sich bestenfalls auch studentische Gruppen abarbeiten könnten. Als Hinweis wurde eine mögliche Verknüpfung mit dem Bereich CO2-Senke Torf, Klimaschutz und dem EnergieErlebnisZentrum (EEZ) als Gedanke ins Spiel gebracht. Auch das Treffen mit Vertreter des Landes hinsichtlich möglicher Förderung einzelner Vorhaben brachte den Rat, nicht das Große und Ganze in die Umsetzung zu bringen, sondern thematisch sinnvoll in einzelnen förderfähigen Modulen zu denken, die sich auch zeitlich gestaffelt – aber unter dem Dach eines Gesamtkonzeptes realisieren lassen.

In der Folge eines runden Tisches zur Erarbeitung eines groben Umsetzungskonzeptes wurden dann zunächst fünf Module identifiziert, die sich unabhängig voneinander umsetzen lassen und welche jedes für sich einen Sinn ergibt, ohne abhängig von den anderen zu sein. Allerdings ist nach wie vor das Ganze deutlich mehr, als die Summe der Teile.

Diese fünf Module sehen folgendes vor:

1. Modul: Moorlehrpfad und Aussichtspunkt (Kranichbeobachtung)

2. Modul: Geschichte der Mooraneignung und Kernelement „Vom degenerierten Hochmoor über den Torfabbau zum renaturierten lebenden Hochmoor“ (beinhaltet Fehnkultur, Hochmoorkultur, möglicherweise Hinweis auf die Geschichte Wiesmoors – also Torfkraftwerk und Gartenbau)

3. Modul: Rad- und Wanderwege durch das Gebiet (kleiner Wanderweg – etwa 3 bis 4 km, großer Rundweg – etwa 10 bis 12 km, Radwanderroute als Ergänzung zur Fehnroute oder als eigenständiges Angebot)

4. Modul: Paludikultur und die wirtschaftliche Nutzung wiedervernässter lebender Hochmoore als mögliche Zukunftsperspektive

5. Modul: Außerschulischer Lernort – zwei Ausrichtungen: Angebot an Grund und allgemeinbildende Schulen sowie an Studenten und Erwachsene (vielleicht in konzeptioneller Einheit mit EEZ (mögliche Themen: Klimaschutz und Hochmoor, Wandel der gesellschaftlichen Rezeption von Mooren und Moorkultivierung, Torfabbau im Zusammenhang internationaler Zusammenhänge in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht (Klimapolitik, Artenvielfallt, Wertschöpfung))

Projektsteckbrief für den vorliegenden Antrag

Um die im Wesentlichen durch die Bürger Marcardsmoors vorangebrachten Planungen und Konzepte in ein belastbares Gesamtkonzept zu überführen besteht der Bedarf nach einer professionellen Unterstützung. Inhalt des Projektes ist zunächst die Überführung des übergeordneten Gesamtkonzeptes in eine nachvollziehbare und zwischen den Projektpartnern abgestimmten Form.

In Ergänzung zum Gesamtkonzept sind die einzelnen im bisherigen Prozess beschriebenen fünf Module zu konkretisieren und sinnvoll in das Gesamtkonzept einzupassen. Anhand des zeitlichen Fortschritts im Gelände (Torfabbau, Remodellierung des Reliefs, Fertigstellung der Dritten Reihe als neue Wegbeziehung) sind das Gesamtkonzept sowie die einzelnen Module in einem passenden örtlichen und zeitlichen Kontext zu beschreiben zu betrachten. Sowohl in Bezug auf das Gesamtkonzept als auch in Bezug auf die einzelnen Module soll der Bestand in Marcardsmoor und in der Umgebung, etwa die angrenzende Fehnkultur, die Historie Wiesmoor oder die Hochmoorkultur ergänzend im Konzept verwendet und entsprechend der Module interpretiert werden.

Soweit es der zeitliche Kontext der Module zulässt, sind einzelne Baustein überschlägig zu kalkulieren und eine mögliche Förderperspektive eröffnet werden.

Übereinstimmung mit den Auswahlkriterien der LAG Fehngebiet

Das Projekt deckt sich in besonderer Weise mit den Projektauswahlkriterien der LAG Fehngebiet. So wird der Raum Marcardsmoor und die angrenzenden Fehngebiete durch das Projekt nicht nur langfristig touristisch in Wert gesetzt, sondern bedient durch die langfristige Perspektive zudem eine nachhaltige regionale Entwicklung. Gleichzeitig wirkt das Konzept identitätsstiftend über alle Generationen und verbindet regionale Entwicklung mit den Belangen der Bürgerschaft vor Ort, die sowohl ihre Gestaltungswünsche und bürgerschaftliches Engagement über die „Marcardsmoorer Positionen“ von Beginn an einbringen konnten.

Über den Schutz der für Marcardsmoor typischen Hochmoorkultur und deren Verknüpfung mit weiteren für die Fehnkultur typischen Mooraneignungsformen greift das Konzept den geschichtlichen Werdegang der Urbarmachung des Moores auf und für diese über einzelne Schritte für den Besucher erkennbar in die Zukunft (Paludikultur). Gleichzeitig wird die Bedeutung des Hochmoors in Rahmen des Klimawandels und die Bedeutung des Moores als CO2-Senke, auch im Rahmen von Wiedervernässungsmaßnahmen, Thema des Erlebens vor Ort sein. Auch wenn es sich beim Gesamtkonzept überwiegend um eine touristische Inwertsetzung des Gebietes handelt, ist bereits über das durch das MW genehmigte iGEK 15 die Basis für ein gutes Nebeneinander von landwirtschaftlicher, naturschutzfachlicher und touristischer Nutzung angelegt und begleitet ein künftiges Gesamtkonzept wie ein roter Faden. Durch die Verankerung im Regionalen Raumordnungsprogramm (RROP) des Landkreises Aurich ist der unmittelbare Bezug zu übergeordneten Planungen sichergestellt.